Schachliche Schlaglichter vom 2. Rottaler Schach-Open 2018

Zum Turnier siehe: 2. Rottaler Schach-Open 2018: 30. März - 2. April 2018

Im Turmendspiel kommt es auf die Aktivität von König und Turm an. Ein Bauer mehr oder weniger sind da nicht so wichtig. Siehe: Merksätze fürs Endspiel (und andere) u.a. aus Reuben Fine: Basic Chess Endings

Racky
Helmut Gottwald (SV Dicker Turm Esslingen) –
Selina Racky

Schwarz am Zug

Die Stellung ist ausgeglichen
Was ist zu tun?
Hier ist der König zu zentralisieren und nicht – wie in der Partie – an den Rand zu ziehen.
Deshalb wären 22. ... Kf8 oder 22. ... f6 die richtige Wahl.
Der Partiezug 22. ... h6 verdirbt freilich noch nichts. ––– Etwas später ...
Pfarrkirchen
Stellung nach 30. ... c4



Aufgrund der unglücklichen Randposition des schwarzen Königs steht Weiß leicht besser.
Nach der Tarrasch-Regel (*) gehört der Turm hinter den Freibauer, hinter den eigenen wie hinter den feindlichen. Dabei ist „hinter” bezüglich der Laufrichtung des Bauern zu verstehen. Wenn man das nicht erreichen kann ist die Seitenverteidigung vorzuziehen.



(*) kaum eine Regel ohne Ausnahme
Hier kann Weiß die ungünstige Randlage gleich in einen Bauerngewinn ummünzen.
31. Tf6 droht g4+ nebst Txh6# und erzwingt daher 31. ... g4
32. Tf5+ Kg6 33. hxg4

Weiß versäumte dieses Bauerngewinnmanöver hier und auch einen Zug später.

Auch in Endspielen gibt es oft gewinnbringende oder remissichernde Manöver. Also immer Augen auf auch in scheinbar einfachen Stellungen!
Oder man kann vorteilhaft in ein Bauernendspiel abwickeln. Genau das gelang hier Weiß im 48.Zug und kurz darauf musste Schwarz aufgeben.

Im Eifer des Wettkampfs vergisst man oft das Gelernte (z.B. Das Finden des richtigen Zuges oder Denkprozess zur Zugfindung, 13. Dez. 2017 oder die Methode LPDO) und versäumt so den Vorteil oder gar den Gewinn einer Partie.

Pfarrkirchen
Benedikt Racky – Alfons Breu (TSV Trostberg)
Weiß am Zug








Die Stellung war ausgeglichen. Mit zuletzt 10. ... Dc7 kippte aber das Gleichgewicht zugunsten von Weiß. Unsere Regeln zum Finden des richtigen Zugs und Methode LPDO hätten den – zugegeben etwas verzweigten Weg – gezeigt.
  • Die erste LPDO-Überlegung ist leicht: der Damenzug Dd8-c7 läßt den Le7 ungedeckt.
  • Um das auszunutzen muss man den Sf6 vertreiben.
  • Also e4-e5!
  • Nach e5 muss man mit Sd5 (Deckung des Le7) rechnen.
  • Man muss mit dem Störmanöver Lxf3 rechnen und käme dann selbst in Schwierigkeiten.
  • Also muss man das Störmanöver unterbinden.
  • Dazu bietet sich g4 an.
  • Um Sd5 zu entkräften kann man den verteidigenden Sd5 abtauschen, je nach Lage mit Sxd5 und Angriff auf Dc7 oder Lxd5 und möglichem Desperado-Opfer auf e6.
Doch mit g4 wird die eigene Königsstellung geschwächt. Also muss man das Manöver genau durchrechnen. Lohnt es sich?
Der erste Schritt ist leicht zu kalkulieren, danach wird es komplexer. Es wird so komplex, dass man vielleicht lieber die Finger davon läßt. Oder man sieht, dass man ständig am Drücker ist und der Verteidiger es schwerer als der Angreifer hat.
Andrerseits: das Manöver 11. g4 und 12. e5! ist keinesfalls komplizierter als der Partiezug
11. d5? In der Partie folgte 11. ... exd5 12. exd5 Se5
Schwarz steht besser und gewann im 23. Zug.
Pfarrkirchen Sehen wir uns die Verzweigungen nach der möglichen Variante
11. g4 Lg6 12. e5! an.
Schwarz kann
1) schlagen: Schlagvariante, oder 2) den Le7 decken: Deckungsvariante, oder 3) durch Gegenangriff im trüben Wasser fischen: Gegenangriff.
1) Schlagvariante
12. ... dxe5
13. dxe5 Sd5
erzwungen (der Sf6 hat keinen sinnvollen Ggegenangriff)
Pfarrkirchen

Jetzt folgt wie leicht zu sehen ist
14. Lxd5 (da nach 14. Sxd5 der Lc4 angegriffen wäre)
Das beseitigt den Verteidiger des Läufers e7. Schwarz hat keine Zeit zu cxd5 oder exd5, da sonst der Le7 ersatzlos fällt.
14. ... Lxg5
Schwarz hat die Figuren wieder ausgeglichen. Der Ld5 und der Lg5 stehen unter Feuer, aber wer zuerst dran ist kann mit einem Desperado-Opfer einen wichtigen Bauern gewinnen.

Pfarrkirchen

15. Lxe6 Desperado-Opfer. Darauf kann fxe6 oder Gegenangriff Sc5 folgen.
15. ... fxe6
16. Sxg5 Sc5
17. Td6
es spielt sich wie von selbst
Der Gegenangriff 15. ... Sc5 verbessert die Lage von Schwarz nicht, denn Weiß hat drei gute Fortsetzungen:
16. Lf5
16. Lxf7+ nächstes Desperado-Opfer, diesmal mit Schachgebot und
16. Sxg5 Sxe6
17. Sxe6 fxe6
Pfarrkirchen
Pfarrkirchen
Weiß hat einen gesunden Mehrbauern und ist weiter am Drücker.
Weiß hat einen gesunden Mehrbauern, kontrolliert die d-Linie und ist am Zug.

2) Deckungsvariante
12. ... Sd5
Die erste Antwort ist einfach: man schlägt den Verteidiger und greift damit die Dame an.
13. Sxd5
Doch Schwarz kann mit Angriff auf Lc4 zurückschlagen.
13. ... cxd5

In solchen Fällen wählt man die Variante, die weitere Drohungen aufstellt, hier 14. Lxe7 mit Angriff auf Tf8. Da Schwarz hier nicht gegenhalten kann, ist er mehr oder weniger zu
14. ... Tfe8 gezwungen.

Wenn Schwarz das nicht so sieht, kann Weiß seinen Vorteil sogar ausbauen:
a) 14. ... Dxc4 15. Dxc4 dxc4 16. Lxf8
b) 14. ... dxc4 15. exd6! gefolgt von 16. Se5 oder 16. Lxf8
Pfarrkirchen

Es ist leicht zusehen, dass es für Weiß wie geschmiert mit Angriff auf die Dame weitergeht.
15. exd6 (Nebenbei hat man mit 15. Lxd6 und 15. Lxd5 (schon wieder ein Desperado-Opfer) weitere gute Varianten in der Pfanne.)
Pfarrkirchen

Für Schwarz günstig: die Dame kann sich mit
15. ... Dxc4 dem Angriff entziehen. Doch Weiß hat schon einen Mehrbauern und der Riegel Le7/d6 steht überragend.
16. Dxc4 dxc4
17. Se5

Nachdem sich der Sd7 verzogen hat kann Weiß sich um seinen Bauern c2 kümmern und steht deutlich besser.
Pfarrkirchen


3) Gegenangriff
12. ... b5
Pfarrkirchen

Weiß hat die angenehme Wahl zwischen
13. exf6 gxf6 14.Lh6,
13. Lb3 und

13. Ld3 dxe5
14. dxe5 b4
15. Sa4

Pfarrkirchen

15. ... Lxd3
16. Txd3 Sd5
15. ... Sd5
16. Lxg6 hxg6
Pfarrkirchen
Pfarrkirchen
Jetzt wird wieder eiskalt der Verteidiger beseitigt, denn für die geopferte Qualität erhält Weiß eine ganze Figur.
17. Txd5 exd5
18. Lxe7 Tef8
19. Lxb4 Sxe5
20. Sxe5 Txe5
21. Da6

Mit derselben Abwicklung wie nach 15. ... Lxd3 (siehe links).   
Nachdem sich der Pulverdampf verzogen hat steht Weiß in beiden Varianten deutlich besser.

Nun wird man auf der Ebene der Vereinsspieler kaum beim 11. Zug alles bis zum 21. in allen Verzweigungen durchrechnen. Aber die Methode LPDO zeigt das Ziel, man kalkuliert konkrete Varianten und sieht, dass man zwar die Schwächung g4 investiert, aber immer materialmäßig zumindest gleichauf ist (mit guter Aussicht aus Materialgewinn) und stellungsmäßig profitiert.
11. g4 nebst 12.e5! ist daher dem schlappen Partiezug 11.d5 vorzuziehen. Es lohnt sich!